Die Schweiz hat mit ihren zahlreichen Gewässern ein grosses Potenzial an nachhaltiger Energie. Wasser kann uns nicht nur in Form von Wasserkraft, sondern auch als Kühl- oder Wärmemittel Energie liefern. Als Kältelieferant ist See- und Flusswasser bestens bekannt, etwa bei Atomkraftwerken oder industriellen Prozessen. Mit Wärmepumpen können Grundwasser und Oberflächengewässer aber auch zum Heizen dienen.

Heizen mit Seewasser – wie geht das?

Eine Wärmepumpe bringt die Temperatur des Wassers durch einen thermodynamischen Kreislauf auf ein Niveau, das zum Heizen reicht. Als Hilfsmittel dient ein Fluid, das je nach Druck und Temperatur flüssig oder gasförmig ist (z. B. Propan). Es zirkuliert in einem geschlossenen Kreislauf durch die Pumpe.

Der Wärmeaustausch erfolgt über vier Schritte: Verdampfung, Verdichtung, Kondensation und Drosselung. Das Seewasser wird dem Verdampfer zugeführt. Es hat eine Temperatur von etwa 5 Grad Celsius. Das Fluid im Verdampfer ist noch kälter und wird durch das Seewasser erwärmt. Dadurch wird es gasförmig. Im Kompressor wird das Fluid auf einen hohen Druck gebracht (Verdichtung). Seine Temperatur steigt weiter bis auf etwa 40 Grad Celsius. Nun kann das Fluid seine Wärme im Wärmetauscher an das Heizsystem abgeben. Die nutzbare Wärme ist dabei rund dreimal grösser als die aufgewendete elektrische Energie für die Verdichtung. Hat das Fluid die Wärme abgegeben, ist es kälter und kondensiert. Das heisst, es wird wieder flüssig. Es wird darauf in einen Raum mit niedrigen Druckverhältnissen geleitet (Drosselung), dehnt sich dabei aus und seine Temperatur sinkt weiter. Nun schliesst sich der Kreis: Erneut wird das Fluid im Verdampfer durch das Seewasser erwärmt. Das Wasser kühlt dabei ab und wird nach getaner Arbeit – leicht kühler als zuvor – in den See zurückgeleitet.

Potenzial für Private und Industrie

Das Prinzip ist schon lange bekannt und wird auch immer mehr gefördert. Potenzial ist aber noch viel vorhanden. Ein Kubikmeter Wasser genügt, um einen Quadratmeter Fläche in einem Gebäude etwa zwei Tage lang zu heizen. So hat der Vierwaldstättersee mit einem Volumen von 12 Milliarden Kubikmetern Wasser ein Wärmepotenzial von 2900 Gigawattstunden – dies entspricht dem Wärmebedarf von über 360 000 Einwohnern. Der See könnte somit den ganzen angrenzenden Siedlungsraum auf umweltfreundliche Weise mit Wärme versorgen.

Innovative Energiekonzepte werden dadurch auch für grössere Verbraucher möglich. Auf dem Bürgenstock steht zum Beispiel ein Luxusresort mit mehreren Hotels, Residence-Suiten, Business- und Wellness-Infrastruktur. Das Resort wird mit Wasser aus dem Vierwaldstättersee geheizt und gekühlt. Dazu wird eine Druckleitung genutzt, die bereits seit 1888 die Hotels mit Trinkwasser aus dem See versorgt. Für die Wärmepumpen wurde die Leitung erneuert und oberhalb des Resorts ein neues Wasserreservoir gebaut. Von dort gelangt das Wasser in eine unterirdische Energiezentrale, wo es für Heizung oder Kühlung der Gebäude aufbereitet wird.

Ein renommierter Bezüger von Energie aus dem Zugersee ist das Eishockey-Stadion Bossard Arena. Es verfügt über ein bemerkenswertes nachhaltiges Energiekonzept. Geheizt wird mit einer Wärmepumpe, die sich des Seewassers bedient und mit Fotovoltaik angetrieben wird. Zudem dient die Abwärme aus der Eisherstellung für die Warmwasserproduktion in der Sporthalle und in der angrenzenden Überbauung Schutzengel.

Umweltauflagen zum Schutz der Gewässer

Die Gewässerschutzverordnung verlangt, dass die Nutzung von Seewasser für Kühl- und Wärmeprozesse die Temperaturverhältnisse, die Nährstoffverteilung und die Lebensbedingungen für die Wasserlebewesen nicht zu stark beeinflussen. Die Empfehlung des Wasserinstituts Eawag ist maximal 3 Grad Celsius Unterschied zwischen der Temperatur bei der Entnahme und der Rückführung. Je nach Gewässer sind auch weitere Aspekte zu beachten. Beim Zugersee beispielsweise wird das Wasser auf mindestens 15 Meter Tiefe entnommen und muss auch wieder in ähnlicher Tiefe zurückgeleitet werden, damit die darin enthaltenen Nährstoffe nicht das Gleichgewicht des Sees stören. Würde man das Wasser an der Oberfläche zurückfliessen lassen, wäre eine starke Algenbildung an der Oberfläche die Folge.