Energieeffiziente Neubauten sind im Trend und auf den ersten Blick bezüglich Treibhausgasemissionen umweltfreundlicher als ältere Gebäude. Doch oft geht dabei ein wichtiger Aspekt in der Ökobilanz vergessen.  

«Es führt kein Weg an Netto-Null vorbei, wenn wir den Klimawandel in den Griff bekommen wollen. Die Bauwirtschaft muss hier auch einen Beitrag leisten.» Reto Knutti findet klare Worte an der Swissbau, der Schweizer Baumesse. Es ist kein Zufall, dass der Klimaforscher dort spricht. Denn: Die Gebäude verursachen in der Schweiz gemäss BAFU rund einen Viertel der Treibhausgasemissionen im Inland.   

Das versteckte CO2 der Baumaterialien  

Dies sind jedoch nur die Emissionen, die im Betrieb verursacht werden, von Heizung und Warmwasser. Bei einem modernen, energieeffizienten Neubau geht oft vergessen, dass die Produktion der Baumaterialien und der Bau selbst ebenfalls CO2 verursachen.  

Und diese sind beachtlich: Gemäss einer Studie der Empa betragen die sogenannten grauen Emissionen der Schweizer Baubranche jährlich 11 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht ungefähr 11 Millionen Flügen von Frankfurt nach New York. Pro Jahr.  

Hier besteht riesiges Einsparpotential, das die Bauindustrie ausschöpfen muss, um die Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zu bringen. 

Gebäude ganzheitlich betrachten  

Nachhaltiges Bauen ist mittlerweile in der Baubranche angekommen: CO2-arme Materialien und zirkuläre Bauweisen sind auf dem Vormarsch, es existieren viele Standards zu energieeffizientem Bauen und es scheint ein Umdenken stattzufinden. Der grauen Energie von Gebäuden wird jedoch noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl sie in der Gesamtbilanz wichtig ist. Hier besteht Handlungsbedarf. Bei der Frage, ob mit einem bestehenden Gebäude weitergebaut oder ein Neubau erstellt wird, müssen die grauen Emissionen des Baus zwingend in die Überlegungen einfliessen. 

Welche Variante nachhaltiger ist, lässt sich nicht pauschal beantworten und hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise der Bausubstanz. Ist diese jedoch intakt, gibt es durchaus Möglichkeiten, damit weiterzubauen. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass Vieles mit Willen und einer Portion Kreativität möglich ist. Auch die Kostenrechnung kann aufgehen: Das Gebäude bleibt während eines Umbaus meist bewohnbar, Investitionen können über mehrere Jahre verteilt werden und es fallen keine Ausgaben für die Entsorgung an. Und schliesslich ist die Reduktion von CO2-Emissionen auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll, wie auch Reto Knutti an der Swissbau sagte: «Ambitionierter Klimaschutz ist langfristig günstiger und lohnt sich.» 

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(Bildquelle: Pixabay)