Schon seit Jahrtausenden setzt die Menschheit Pflanzenkohle in der Landwirtschaft ein. Heute wird das Naturprodukt zur Bodenverbesserung, als Material in Baustoffen oder für die Industrie und als Negativ-Emissions-Technologie (NET) wieder entdeckt. Trimurti Irzan, Präsidentin von Charnet, dem Schweizer Fachverband für Pflanzenkohle erklärt, wo die Entwicklung steht und was es noch zu tun gibt.

Die Ureinwohner Südamerikas brachten vor 4000 Jahren pflanzliche Verkohlungsrückstände zusammen mit Asche, Biomasse, Küchenabfällen und Tonscherben auf ihren Feldern aus. Über Jahrhunderte entstand daraus im Amazonas-Gebiet eine tiefschwarze und sehr fruchtbare Erde – die Terra Preta. Heute wird Pflanzenkohle durch Pyrolyse aus pflanzlicher Biomasse, in der Schweiz vorwiegend aus Holz, hergestellt. Pflanzenkohle lässt sich vielseitig einsetzen und leistet als CO2-Senke einen Beitrag zum Klimaschutz. Der Fachverband Charnet fördert die nachhaltige Produktion qualitativ hochwertiger Pflanzenkohle und deren Anwendung. Die Präsidentin Trimurti Irzan ist seit der Gründung 2021 dabei und engagiert sich mit Herzblut.

Trimurti, welches Potenzial hat Pflanzenkohle?
Pflanzenkohle ist sehr vielseitig. Das grosse Potenzial liegt in Pflanzenkohle als Negativ-Emissions-Technologie – aber nicht nur als reine CO2-Senke, sondern als Produkt mit Zusatznutzen. Der Begriff «Carbon Capture and Use» bringt das auf den Punkt. Der Kohlenstoff wird nicht einfach in die Erde gepumpt, sondern zeigt dort auch eine Wirkung. Anwendungsbereiche liegen in der Landwirtschaft, in der Industrie oder in der Bauwirtschaft.

Wo stehen diese Anwendungen heute?
Das ist sehr unterschiedlich. In der Landwirtschaft wird Pflanzenkohle am längsten eingesetzt und in diesem Bereich wird die meiste Forschung zur Wirkung betrieben. Sehr erfolgreich wird die Pflanzenkohle auch im Siedlungsgebiet eingesetzt, um unsere Städte und Gemeinden an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen: Hier kommt vor allem die hohe Wasserhaltekapazität der Pflanzenkohle zum Tragen, zum Beispiel in Baum- oder Rasensubstraten oder im Schwammstadtkonzept.
Die Anwendungsmöglichkeiten in der Bauindustrie sind vielfältig. Pflanzenkohle wird Dämmmaterialien oder Beton zugefügt und kommt sowohl im Hoch- wie im Tiefbau zum Einsatz oder wird im Strassenbau dem Asphalt beigemischt. Andere Anwendungen wie beispielsweise im High-Tech Bereich oder als Ersatz für fossile Kohlen sind noch im Stadium der Forschung oder Entwicklung.
Ich bin überzeugt, dass der Moment kommen wird, in dem das Potenzial von Pflanzenkohle erkannt wird. Dann müssen wir genügend davon produzieren können – das wird eine Herausforderung sein.

Pflanzenkohle kann als CO2-Senke eingesetzt werden. Wie funktioniert das?
Die Pflanzen nehmen CO2 während des Wachstums auf und lagern es als Kohlenstoff ein. Wenn man dafür sorgt, dass es nicht mehr freigesetzt wird, hat man das CO2 gebunden. Das geschieht bei der Herstellung von Pflanzenkohle durch Pyrolyse von Biomasse.

Weshalb wird dieses Verfahren nicht breit umgesetzt?
Das Prinzip ist nicht einfach zu erklären. Laien verstehen Staubsaugerlösungen wie Climeworks besser, die CO2 mit hohem Energieaufwand technisch aus der Luft filtern. Bei der Pflanzenkohle überlassen wir das CO2 einsammeln der Natur. Hinzu kommt:  Pflanzenkohle wird noch nicht an vielen Orten im grossen Massstab hergestellt, eher produzieren viele Einzelbetriebe Pflanzenkohle in kleinen bis mittleren Mengen. Und wie so häufig ist es auch eine Kostenfrage.

Was sind deine Ziele für Charnet in den nächsten Jahren?
Die Branche braucht ein Sprachrohr. Sie ist noch jung mit mehrheitlich kleinen Unternehmen und Start-ups. In diesem Umfeld ist es unserer Aufgabe, die Herstellung qualitativ hochwertiger Pflanzenkohle bei optimaler Energienutzung zu fördern. Dabei ist es uns ein Anliegen, alle zu vertreten und Anwender, Hersteller und Interessierte zu vernetzen.
Oberstes Ziel ist, dass Pflanzenkohle in der Schweiz als Negativ-Emissions-Technologie (NET) von oberster Seite anerkannt wird und einen gewichtigen Teil in der Klimastrategie einnimmt. Bisher ist das leider nicht der Fall. Das ist schade, denn die Schweiz ist im Bereich Pflanzenkohle Pionierin. Wir waren das erste Land, das diese zur Bodenverbesserung zugelassen hat und auch die ersten Anlagen wurden in der Schweiz gebaut. Diese Vorreiterrolle dürfen wir auf keinen Fall verlieren. Dafür setzen wir uns ein, wir wollen weiterhin ein Leuchtturm sein.

Was braucht es, um diese Ziele zu erreichen?
Es bedarf die Anerkennung von offizieller Seite, von Behörden und Politikern. Wir wünschen uns eine Botschafterin oder einen Botschafter, eine charismatische Person, die unsere Anliegen nach aussen trägt. Es muss breiter und viel bekannter werden, dass es die Technologie gibt, nicht nur als Terra Preta im Amazonas, sondern auch als CO2-Senke mit Zusatznutzen in der Schweiz. Dazu braucht es Kommunikation und Aufklärung, das ist ein wichtiger Auftrag.

Weshalb engagierst du dich für Charnet? Was motiviert dich?
Pflanzenkohle verbindet alle Stationen meines beruflichen Werdegangs. Als Umweltnaturwissenschafterin ist Nachhaltigkeit für mich schon seit über 30 Jahren ein wichtiges Thema. Lange Zeit war ich in der Industrie und in einem Ingenieurbüro tätig. Dort kam ich mit Technik und dem industriellen Betrieb von Anlagen in Berührung. Ein weiteres Standbein in meinem Berufsleben war die Begleitung von Change-Prozessen. Auch das braucht es im Bereich Pflanzenkohle. Es muss ein Umdenken stattfinden.

Zur Person
Trimurti Irzan ist Inhaberin von Carbon Circle, einem Start-up, das sich auf die Beratung im Bereich Pflanzenkohle spezialisiert hat. Daneben engagiert sich die Umweltnaturwissenschafterin als Präsidentin von Charnet, dem Fachverband für Pflanzenkohle.
Wir von Sprachwerk betreuen die Geschäftsstelle von Charnet und arbeiten dabei eng mit Trimurti zusammen.

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